Überwinterungsgebiete der europäischen Kraniche
Die Überwinterungsgebiete der europäischen Kraniche sind abhängig von deren Brutherkunft und Zugehörigkeit zu den verschiedenen Zugwegen.
Vögel des westeuropäischen Zugweges, zu denen auch unsere heimischen Kraniche zählen, nutzen Überwinterungsgebiete in Spanien, Frankreich und zunehmend auch in Deutschland. Hauptüberwinterungsgebiete auf der Iberischen Halbinsel liegen in der Extremadura/Andalusien im Südwesten und in der Laguna de Gallocanta im Nordosten Spaniens. Kleinere Überwinterungsplätze befinden sich zudem in der Laguna de La Janda in der Nähe von Cadiz, La Sotonera nördlich Zaragoza in Nordost-Spanien sowie in der Laguna de Villafafila und bei El Oso in Nordspanien.
In Frankreich liegen wichtige Überwinterungsgebiete im Süden im Parc Naturel Régional des Landes de Gascogne und im benachbarten Schutzgebiet Arjuzanx, in Zentralfrankreich im Bereich des Parc Naturel Régional de la Brenne, der L’Allier-Flußauen südlich Moulins und bei Nevers sowie im Nordosten Frankreichs um die Stauseen Lac du Der-Chantecoq, im Parc naturel régional de la Forêt d'Orient sowie am Lachaussée.
In den letzten Jahren versuchen zudem immer mehr Kraniche auch in Deutschland zu überwintern, wobei die Zahl der Überwinterer stark schwankt und bei langanhaltenden Kälteperioden mit Starkfrösten und Schnee viele Vögel noch in Richtung Frankreich abziehen. Als Hauptüberwinterungsgebiete in Deutschland haben sich die Diepholzer Moorniederung zwischen Osnabrück und Bremen sowie der Raum Berlin (Rhin-Havelluch, Mittlere Havel zwischen Potsdam und Brandenburg/Havel, Notte-Niederung südlich Berlin) entwickelt, wobei in beiden Räumen jeweils 5-10.000 Kraniche überwintern können.
Vögel des Baltisch-Ungarischen Zugweges überwintern in milden Wintern bereits in geringer Zahl in der Hortobagy im Osten Ungarn, was zugleich das wichtigste Herbstrastgebiet mit bis zu 135.000 Kranichen darstellt. Kleinere Überwinterungsgebiete befinden sich zudem auf dem nördlichen Balkan im Norden Serbiens, in Kroatien und Bosnien-Herzogowina. Bis zu 20.000 Vögel dieses Zugweges ziehen weiter zur Überwinterung nach Nordafrika. Obwohl das Überwinterungsgebiet sich hier von Marokko im Westen bis nach Libyen im Osten erstreckt, überwintert die Mehrzahl der Kraniche in verschiedenen Feuchtgebieten in Tunesien und im benachbarten Algerien.
In den letzten Jahren werden zunehmend Kraniche dieses Zugweges beobachtet, die entweder von Rastgebieten in Ungarn anschließend nach Westen abziehen und nördlich der Alpen zu Überwinterungsgebieten nach Frankreich und Spanien fliegen. Ein anderer Teil zieht über Norditalien nach Westen vor allem nach Südfrankreich, um in der Camargue zu überwintern.
Von einzelnen besenderten Vögeln ist sogar bekannt, dass sie von Nordafrika aus nach Spanien weiterfliegen und dann über den westeuropäischen Zugweg in ihre Brutheimat zurückkehren. Dies deutet darauf hin, dass der westeuropäische und der baltisch-ungarische Zugweg nicht komplett getrennt sind, sondern das auch ein gewisser Austausch zwischen ihnen besteht.
Kraniche, die den osteuropäischen Zugweg nutzen, ziehen über das Schwarze Meer weiter zu Rastgebieten in der Türkei und in Israel, wo im Hula-Tal im Norden Israels teilweise bereits zehntausende Vögel überwintern. Ein erheblicher Teil der osteuropäischen Kraniche zieht dagegen weiter zu Überwinterungsgebieten in Ostafrika, wobei allein in Äthiopien bis zu 70.000 überwinternde Kraniche gezählt wurden. Als Hauptüberwinterungsgebiete fungieren hier das Gebiet um den Tana-See und das Rift-Valley.
Überwinterungsgebiete der heimischen Brutkraniche
Anhand von Wiederfunden in Deutschland beringter und besenderter Kraniche der einheimischen Brutpopulation, sind die Überwinterungsgebiete der in Deutschland brütenden Kraniche sehr gut bekannt. Die Überwinterungsgebiete erstrecken sich dabei über große Teile des westeuropäischen Zugweges und umfassen Rastplätze in Nord- und Ostdeutschland, Frankreich und Spanien. Dagegen fehlen bislang Wiederfunde aus Portugal und Marokko, die ebenfalls zum Überwinterungsgebiet von Kranichen des westeuropäischen Zugweges gehören, aber jeweils nur noch wenige tausend Vögel überwintern. Noch in den 1970iger Jahren wurde Marokko sogar als wesentliches Überwinterungsgebiet angesehen. Änderungen in der Landnutzung durch verstärkten Mais- und Reisanbau, milde Winter und verbesserte Schutzbedingungen an den Rastplätzen führten zur Verlagerung der Überwinterung nach Norden.
Zehntausend Kraniche überwintern an verschiedenen Plätzen in der Extremadura und in Andalusien. Dort suchen die Vögel oft in den "Dehesas", den lichten mediterranen Eichenwäldern, nach den Früchten der Stein- und Korkeichen. Diese traditionell genutzten Wälder sind das Ergebnis einer Jahrhunderte langen extensiven Landnutzung. Sie erinnern mit ihren durchschnittlich 40 bis 50 Bäumen je Hektar auf Weideland oder Getreide an eine weitläufige Parklandschaft. Kraniche öffnen die harte Schale der Eicheln mit dem Schnabel und fressen das etwas bitter schmeckende Fruchtfleisch. Auch die dunklen iberischen Hausschweine werden zu dieser Zeit zur Mast in die Eichenhaine getrieben. Neben diesen traditionellen Nahrungshabitaten nutzen inzwischen zahlreiche Kraniche auch die intensiven Mais- und Reisanbauflächen im Gebiet von Navalvillar de Pela zur Nahrungssuche.
Im Nordosten von Spanien liegt die Laguna de Gallocanta, wo die Kraniche auf einem in der Hochebene gelegenen flachen Salzsee nächtigen und tagsüber auf den umliegenden Feldern der Nahrungssuche nachgehen. Kleinere Überwinterungsplätze befinden sich zudem in der Laguna de La Janda in der Nähe von Cadiz, La Sotonera nördlich Zaragoza in Nordost-Spanien sowie in der Laguna de Villafafila und bei El Oso in Nordspanien.
In Frankreich liegen wichtige Überwinterungsgebiete der in Deutschland brütenden Kraniche im Süden, in Zentralfrankreich und im Nordosten.
In Südfrankreich nutzen die Kraniche einerseits den Parc Naturel Régional des Landes de Gascogne, vor allem aber das benachbarte Schutzgebiet Arjuzanx. Diese früher durch Braunkohletagebau geprägte Region wurde 1980 renaturiert und bildet heute ein 2.500 ha großes umzäuntes Naturschutzgebiet mit Seen, Wiesen und Maisäckern.
Die Überwinterungsplätze in Zentralfrankreich liegen im Bereich des Parc Naturel Régional de la Brenne sowie in den L’Allier-Flußauen südlich Moulins und bei Nevers. Aufgrund des Fehlens großer Stauseen nächtigen hier die Kraniche in Altwässern und Überschwemmungsflächen des L’Allier-Flusses.
Im Nordosten Frankreichs konzentrieren sich die rastenden und überwinternden Kraniche vor allem im Bereich des großen Stausees Lac du Der-Chantecoq, der in den 1970er Jahren als Hochwasserrückhaltebecken geschaffen wurde. Daneben überwintern größere Anzahlen auch an den Stauseen im nahegelegenen Parc naturel régional de la Forêt d'Orient sowie am Lachaussée unweit der Grenze zu Luxemburg und dem Saarland.
Daneben haben sich im Laufe des letzten Jahrzehnts auch Überwinterungstraditionen an verschiedenen Rastplätzen in Deutschland herausgebildet. In Abhängigkeit der Witterung überwintern allein jeweils mehrere tausend Kraniche im Bereich der Diepholzer Moorniederung und im Großraum um Berlin. In beiden Regionen begünstigt offenbar der intensive Maisanbau mit verfügbaren Stoppelflächen auch im Winter eine Überwinterung. Aber auch an weiteren kleineren Rastplätzen können hunderte oder teilweise sogar wenige tausend Vögel überwintern, sodass in milden Wintern bis über 20.000 Kraniche in Deutschland verbleiben.
Anhand von Funden in Deutschland beringter und besenderter Kraniche konnte sogar festgestellt werden, dass die Zugneigung sich je nach Brutherkunft unterscheidet. Die Kraniche in Nordost-Brandenburg haben noch die stärkste Zugneigung, sodass viele Vögel noch bis Frankreich und Spanien zum Überwintern ziehen. Im südlichen Mecklenburg brütende Kraniche überwintern hauptsächlich in Zentral- und Südfrankreich, während Vögel aus dem nördlichen Vorpommern oft nur bis Nordfrankreich fliegen und teilweise bereits in Deutschland überwintern. Die geringste Zugneigung besitzen die in Niedersachsen brütenden Kraniche, die oft in der Nähe der Brutgebiete überwintern.