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Das Sammeln im Spätsommer

Ab Anfang August finden sich die einheimischen Brutpaare mit ihrem Nachwuchs an den sogenannten Sammelplätzen ein, die im Abstand von 20 bis 50 Kilometer über das Verbreitungsgebiet verteilt sind.

Zuerst kommen die Junggesellen und Paare ohne Bruterfolg, anschließend die Brutpaare mit ihren Jungen. Ab September erhalten sie Verstärkung von durchziehenden Kranichen aus nordischen und östlichen Brutgebieten, die in Deutschland zwischenrasten.

© Dr. Günter Nowald
Herbstliche Rast als Zwischenstopp vor dem Zug in die Winterquartiere

Ab Mitte September nehmen die Anzahlen der in Deutschland rastenden Kraniche aufgrund des Zuzuges von Kranichen aus Skandinavien und Osteuropa deutlich zu. Die Kraniche konzentrieren sich dann an speziellen Rastplätzen, die sowohl attraktive Nahrungsflächen, vor allem aber Schlafplätze für größere Anzahlen rastender Kraniche bieten.

Geeignete Schlafgewässer mit umliegenden Nahrungsflächen sind die Grundvoraussetzung für die Nutzung von Rastplätzen durch Kraniche. Die Vögel benötigen große, störungsarme, flache Gewässer zum Übernachten. Bevorzugt werden Gewässer mit Flachwasserzonen von 20-30 cm Wassertiefe, in denen die Kraniche nachts im Stehen schlafen und vor Fressfeinden geschützt sind.

© Uwe Sonnenfeld

Kraniche reagieren recht sensibel auf Störungen an den Übernachtungsplätzen, weswegen sich viele Schlafplätze in Schutzgebieten befinden, wo dauerhaft störungsarme Bedingungen gewährleistet werden können. Störungen verunsichern die Vögel, trennen Eltern von ihren Jungen, und eine Flucht verursacht einen zusätzlichen Energieverbrauch, der durch vermehrte Nahrungsaufnahme ausgeglichen werden muss. Bei stärkeren Störungen werden Schlafplätze völlig aufgegeben.

Die Art der Übernachtungsplätze ist recht vielfältig und reicht von flachen Boddengewässern und Windwattflächen an der Ostseeküste über natürliche und künstliche Standgewässer (Seen, Teiche, Stauseen, geflutete Tagebaue, Kiesseen, Torfstiche), Schlafplätze an Fließgewässern (Altarme, flache Uferzonen an Flüssen) bis zu wiedervernässten Moorflächen und überstauten Wiesen.

© Dr. Günter Nowald

An den Rastplätzen besteht ein fester Tagesrhythmus. Der Morgenaufbruch beginnt mit der ersten Dämmerung, nachdem die Vögel rufend Kontakte gesucht und das Gefieder freigeschüttelt haben. Der morgendliche Abflug von den Schlafplätzen vollzieht sich oftmals deutlicher rascher als der abendliche Einflug, der sich teilweise über ein bis zwei Stunden hinziehen kann. Der An- und Abflug von den Schlafplätzen erfolgt sowohl in kleinen Gruppen, aber auch in großen Trupps von hunderten oder an großen Schlafplätzen tausenden Kranichen gleichzeitig. Der Flug von und zu den Nahrungsflächen erfolgt energiesparend in großen Ketten oder in Keilformation.

© Dr. Günter Nowald
Große Herbstrastbestände und international bedeutende Rastplätze in Deutschland

Durch regelmäßige synchrone Zählungen an allen wichtigen Schlafplätzen werden alljährlich die herbstlichen Rastbestände ermittelt, die gleichzeitig in Deutschland zwischenrasten. Dabei wurden in den letzten Jahren Herbstrastbestände von über 350.000 Vögeln in Deutschland ermittelt. Dies entspricht über 90% des Bestandes der westeuropäischen Zugpopulation, weshalb Deutschland auch international eine sehr große Verantwortung für den Schutz der Graukraniche in Europa zukommt.

Im Herbst konzentrieren sich viele Kraniche an relativ wenigen großen Schlafplätzen. An etwa 20 Plätzen werden dabei regelmäßig Rastkonzentrationen von über 10.000 Kranichen festgestellt.

Obwohl es in Deutschland über 200 Schlafplätze vor allem in Nordostdeutschland und in Niedersachsen gibt, konzentrieren sich die meisten Kraniche in drei besonders bedeutsamen Rastregionen in Brandenburg (Rhin-Havelluch), Mecklenburg-Vorpommern (Darß-Zingster Boddenkette und Rügen) sowie Niedersachsen (Diepholzer Moorniederung).

© Dr. Günter Nowald

Neben Vögeln der heimischen Brutpopulation suchen vor allem osteuropäische (Polen und Baltikum) und finnische Kraniche die Schlafplätze im Rhin-Havelluch nordwestlich Berlin auf. Zentraler Rastplatz ist das Teichgebiet Linum und die östlich der Teiche gelegenen vernässten Linumer Wiesen, an dem in den letzten Jahren regelmäßig über 70.000 Kraniche gleichzeitig rasteten. Im Herbst 2014 konnte hier sogar ein Rekordbestand von 123.000 Kranichen erfasst werden. Weitere wichtige Schlafplätze befinden sich in räumlicher Nähe zu Linum in den Klärteichen Nauen sowie in vernässten Flächen des Rhin-Havelluchs, beispielsweise bei Jahnberge und Senzke.

© Dr. Günter Nowald

In der Rastregion Darß-Zingster Boddenkette und Rügen, in der im Oktober gleichzeitig über 70.000 Kraniche zu beobachten sind, rasten dagegen vor allem Vögel aus Skandinavien (Schweden, Norwegen), denen sich in zunehmendem Maße aber auch Vögel aus Osteuropa und Finnland dazugesellen. Als Schlafplätze dienen hier vor allem flache Boddengewässer, Windwattflächen sowie Inseln, wobei die meisten Kraniche das Windwatt im Bereich Pramort/Werderinseln, die Insel Kirr sowie die Udarser Wiek zur Übernachtung aufsuchen.

Erst im Zuge umfangreicher Wiedervernässungsmaßnahmen auf ehemaligen Torfabbauflächen hat sich die Diepholzer Moorniederung zwischen Osnabrück und Bremen zu einer international bedeutsamen Rastregion entwickelt, in der in den letzten Jahren im November regelmäßig Rastbestände von über 100.000 gleichzeitig rastenden Kranichen anzutreffen waren. Interessanterweise nutzen viele zuvor an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns und im Binnenland von Mecklenburg rastende Kraniche die Diepholzer Moorniederung als weiteres Zwischenrastgebiet vor dem Weiterflug zu den Überwinterungsgebieten in Frankreich und Spanien.

© Anne Kettner
Energiereserven für den Flug ins Winterquartier

Für den zum Teil mehrere tausend Kilometer langen Zug in die Winterquartiere benötigen die Kraniche große Energiereserven, die in Form von Fettdepots während der Rast durch energiereiche Nahrung angelegt werden.

Ausgehend von den Schlafplätzen werden daher täglich Nahrungsflüge in die Umgebung durchgeführt. Dabei werden gezielt Stoppelflächen (im zeitigen Herbst Getreidestoppel, im späteren Herbst und Winter vor allem Maisstoppel) angeflogen. Bei Mangel an geeigneten Stoppelflächen erfolgt die Nahrungssuche teilweise auch auf Neuansaaten, was dann teilweise zu Konflikten mit der Landwirtschaft führt.

Die Kraniche bevorzugen zwar den jeweiligen Schlafplätzen nahegelegene Nahrungsflächen, nehmen aber auch Entfernungen bis zu 30 km in Kauf, wenn sich dort besonders lohnenswerte Nahrungsflächen befinden.  Auf Flächen mit gutem Nahrungsangebot versammeln sich Hunderte bis Tausende Kraniche. Ein Kranich nimmt täglich 200 bis 300 Gramm Getreide auf.

© Dr. Günter Nowald
Frühjahrsrast auf dem Weg in die Brutgebiete

Im Laufe des Februars und im März kehren die Kraniche aus den Überwinterungsgebieten in Frankreich und Spanien zurück und legen nochmals eine Zwischenrast von teilweise mehreren Wochen in Deutschland ein, bevor sie zu ihren Brutgebieten in Skandinavien und Osteuropa weiterziehen. Die am südlichsten beheimateten Kraniche, darunter auch Vögel der heimischen Brutpopulation, erreichen Deutschland meist zuerst. Danach folgen die südskandinavischen und schließlich ab Mitte/Ende März die nordskandinavischen und nordosteuropäischen Brutvögel. Dieses Zugverhalten bedingt in Mitteleuropa verschiedene Zugwellen und wird auch als „Übersprungzug“ der verschiedenen Populationen bezeichnet.

© Dr. Günter Nowald

Dabei werden oftmals die gleichen Rastgebiete wie im Herbst auch zur Frühjahrsrast aufgesucht. Daneben existieren aber auch zahlreiche spezielle Frühjahrsrastplätze, die sich oft in Flussniederungen und großen Moorgebieten mit temporär überstauten Wiesenflächen befinden.

Bei ihrem Abzug aus den Wintergebieten wissen die Kraniche, welche Rastbedingungen sie in Deutschland erwartet. So kann es durchaus vorkommen, dass die Vögel hier bei einem späten Wintereinbruch noch Schneebedeckte Felder und vereiste Gewässer vorfinden. Nur in seltenen Fällen weichen die Kraniche nochmals nach West bzw. Südwest aus. Meist versuchen sie auch bei diesen ungünstigen Bedingungen an den Zwischenrastplätzen auszuharren.

© Dr. Günter Nowald
Übersommerer

Noch nicht brutfähige Kraniche kehren oftmals noch nicht in ihre Brutheimat zurück, sondern verbringen die Sommermonate an speziellen Nichtbrüter-Sammelplätzen. In Deutschland gibt es zahlreiche solche Plätze, die sich über das gesamte Brutverbreitungsgebiet verteilen und an denen sich teilweise mehrere hundert Vögel aufhalten. Die immaturen Vögel sind oft an ihrer noch nicht ausgefärbten Kopfzeichnung und der oft noch fehlenden roten Kopfkappe von den Altvögeln zu unterscheiden.

Neben den Vögeln der heimischen Brutpopulation werden regelmäßig auch Vögel aus Skandinavien oder Osteuropa angetroffen, die nicht bis in ihre Brutheimat zurückgezogen sind und die ihre eigentliche Herkunft durch ihre Farbmarkierung verraten.

An besonders geeigneten Plätzen lassen sich auch nichtbrütende adulte Kraniche antreffen, die im Frühsommer ihr Großgefieder mausern und dann für mehrere Wochen flugunfähig sind. Im Gegensatz zu vielen anderen Vogelarten wechseln Kraniche nur alle drei oder vier Jahre ihre Schwungfedern.

© Dr. Günter Nowald
Hilfe für rastende Kraniche und betroffene Landwirte

Kraniche können auf frisch gedrillten landwirtschaftlichen Kulturen unter bestimmten Bedingungen Schäden verursachen. Aus diesem Grunde versuchen einige Landwirte, die Vögel von ihren Flächen zu verscheuchen. Dadurch verbrauchen die Kraniche viel Energie, die sie eigentlich für den Weiterflug in die Überwinterungsgebiete benötigen.

Um Landwirten und Kranichen gleichermaßen zu helfen, haben staatliche Stellen (Umweltministerium, Schwerin; Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie, Güstrow; Staatliches Amt für Umwelt und Natur, Stralsund) in enger Zusammenarbeit mit betroffenen Bauern und Kranichschutz Deutschland ein System von Flächen zur "Ablenkfütterung" geschaffen.

© Anne Kettner

1999 finanzierte das Umweltministerium 17 Ablenkflächen mit einer Größe von insgesamt rund 350 Hektar. Aus finanziellen Gründen können heutzutage nur noch sechs bis acht Ablenkfütterungsflächen in der Rügen-Bock-Region betrieben werden. Kranichschutz Deutschland betreibt zusätzlich seit 1998 verschiedene eigene Ablenkfütterungen in der Region und unterstützt ähnliche Projekte beispielsweise auch in Linum.

Der Einsatz von Kranich-Rangern zur Reduzierung von Störungen und zur Besucherinformation während der Rastzeiten erwies sich als sehr erfolgreich (in den Jahren 1999 bis 2005 teilweise mit Unterstützung des Umweltministeriums des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Bingo-Lotterie, Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung). Heute wird das Projekt zum Teil durch die Schneider-Menden-Stiftung und durch die Elisabeth und Bernhard Weik-Stiftung gefördert.

© Anne Kettner
© Kranichschutz Deutschland 2017-2020

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